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(1988) Psychopathology and philosophy, Berlin, Springer.

Affekte als Wahrnehmungs- und Denkstörungen

Reiner Wiehl

pp. 21-42

Die folgenden Überlegungen zum Thema "Affekte als Wahrnehmungs- und Denkstörungen" gehen von der Voraussetzung aus, daß es sich hier um ein philosophisches Thema, zumindest auch um ein solches Thema handelt. Deswegen drängt sich zunächst die Frage auf: Inwiefern ist dies ein philosophisches Thema? Ist es überhaupt ein philosophisches Thema? Liegt es nicht näher, hier überhaupt nur den möglichen Gegenstand einer Untersuchung der Psychologie und der Psychiatrie zu sehen? Nun kann man, wo immer ein Thema für eine empirische Wissenschaft vorliegt, darin auch etwas Philosophisches entdecken, und dies umso eher, wenn die entsprechende Wissenschaft direkt mit Fragen des menschlichen Daseins zu tun hat. Emotionalität und Rationalität sind zweifellos ursprüngliche Gegenstände der Philosophie, die die Frage des Menschseins direkt berühren. Und seit es so etwas wie eine philosophische Erkenntnistheorie gibt, hat die Wahrnehmung seit altersher die Rolle eines ausgezeichneten Paradigmas gespielt. Philosophische Theorien der Wahrnehmung gibt es von der Antike bis in die Moderne, von Plato bis Husserl; und jedesmal war diese philosophische Wahrnehmungstheorie niemals nur Selbstzweck. Sie war ein Paradigma, an dem sich entschied, ob und wie menschliche Wahrheitserkenntnis überhaupt möglich ist. Wenn man demnach davon ausgeht, daß hier ein philosophisches Thema gegeben ist, so ist damit noch nicht gesagt, in welchem Sinne wir hier von einem Thema derPhilosophie reden können und wollen. Die empirischen Wissenschaften erwarten heute im allgemeinen von der Philosophie, soweit sie diese nicht überhaupt für überflüssig halten, allenfalls die Dienstleistung eines kritischen Beitrages zur Begriffsbildung und zur Methodologie, so wie ehemals im Mittelalter die Theologie glaubte, die Philosophie in ihre Dienste nehmen zu sollen. Eine solche Aufgabe einer Dienstleistung liegt dort umso näher, wo die Philosophie wie heute so oft, darauf verzichtet, den Spieß umzukehren und ihrerseits die ihr wichtigen Wissenschaften in den Dienst zu nehmen.

Publication details

DOI: 10.1007/978-3-642-74133-3_2

Full citation:

Wiehl, R. (1988)., Affekte als Wahrnehmungs- und Denkstörungen, in M. Spitzer (Hrsg.), Psychopathology and philosophy, Berlin, Springer, pp. 21-42.

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