Zur Ideologienbildung, insbesondere in der Demokratie

Werner Stark

pp. 33-44

Zu den Laut-, Sprach- und Wortgebilden, die sich im Laufe unseres Jahrhunderts in steilem Aufstieg zu Weltbedeutung emporgeschwungen haben, gehört vor allem das Wort, und mit ihm der Begriff, der Ideologie. An und für sich ist der Terminus schon über hundertfünfzig Jahre alt. Ursprünglich prägte ihn wohl Destutt de Tracy, um eine wissenschaftlich und philologisch einwandfreie Bezeichnung für seine psychologisch ausgerichtete Philosophie zu besitzen. Für ihn hieß Ideologie nicht mehr als Lehre vom Leben der Gedanken. Aber fast sofort wurde dem Phonem eine neue Definition unterlegt und aufgezwungen. Schon Chateaubriand hat unter Ideologie eine vorurteilsbehaftete, von der Wahrheit abgedrängte, halb und halb perverse Denkweise verstanden. Napoleon hat dann ein Schlagwort daraus gemacht. Er hat die Schule Destutt de Tracys Ideologen genannt, nicht weil sie die Welt der Ideen studieren wollten, sondern weil sie lebensfremd waren — Ideologen also in ungefähr dem Sinne, in dem wir heute den Begriff gebrauchen. Seit damals ist der Terminus in Zirkulation, aber erst Karl Mannheim hat ihm seine jetzige Stellung im Vokabular der Politik und Soziologie verschafft, als er im Jahre 1929 sein ideengeschichtlich wichtiges Werk, Ideologie und Utopie, veröffentlichte.

Publication details

DOI: 10.1007/978-3-322-84128-5_2

Full citation:

Stark, W. (1975). Zur Ideologienbildung, insbesondere in der Demokratie. Internationales Jahrbuch für Religionssoziologie 9, pp. 33-44.

This document is unfortunately not available for download at the moment.