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195989

(2015) Der Wiener Kreis, Dordrecht, Springer.

Epilog

Exodus der Wissenschaftlicher Vernunft

Friedrich Stadler

pp. 363-372

Die Bücherverbrennungen im Mai 1933 in deutschen Städten waren ein erster negativer Höhepunkt gegenaufklärerischer Mächte im Spannungsfeld von antidemokratischer Politik und "nationaler" Wissenschaft. Die nationalsozialistisch dominierte "Deutsche Studentenschaft" vernichtete – unterstützt von einem Großteil der Professorenschaft – nicht nur Tausende Bücher von Autoren wie Erich Kästner oder Stefan Zweig, sondern auch eine Reihe wissenschaftlicher Literatur sozialistischer, psychoanalytischer und pazifistischer Autoren unter programmatischen Rufen "gegen Klassenkampf und Materialismus …, Gesinnungslumperei und politischen Verrat …, seelenzerfasernde Überschätzung des Trieblebens…" Im Kampf gegen den sogenannten "jüdischen Kulturbolschewismus' wurden Marx, Freud und Einstein zu Symbolfiguren der verhassten rational-empirischen Wissenschaft von der Natur und Gesellschaft. Obwohl in den seit 1935 erscheinenden Zensurlisten des 'schädlichen und unerwünschten Schrifttums' der Reichsschrifttumskammer (mit circa 4000 Autoren) (Liste 1938 ff.) rein wissenschaftliche Schriften ausgenommen sein sollten, finden sich darin immerhin Namen wie Alfred Adler, Friedrich Adler, Max Adler, Viktor Adler, Otto Bauer, Siegfried Bernfeld, Ernst Bloch, Martin Buber, Ludwig Brügel, Richard Coudenhove-Kalergi, Helene Deutsch, Gustav Eckstein, Albert Einstein, Sándor Ferenczi, Ernst Fischer, Bruno Frei, Sigmund und Anna Freud, Alfred Hermann Fried, Egon Friedell, Erich Fromm, Rudolf Goldscheid, Carl Grünberg, Emil Julius Gumbel, Dietrich von Hildebrand, Rudolf Hilferding, Magnus Hirschfeld, Max Horkheimer, Erich Kahler, Paul Kammerer, Otto Felix Kanitz, Karl Korsch, Siegfried Kracauer, Otto Leichter, Georg Lukács, Karl Mannheim, Karl Marx, Johannes Messner, Otto Neurath, Friedrich Pollock, Wilhelm Reich, Theodor Reik, Karl Renner, Rudolf Steiner, Karl Vorländer, Fritz Wittels und viele andere mehr. Auch in Österreich wurde Zensur ausgeübt: Während im "Ständestaat" Verbotslisten vor allem von sozialdemokratischer und nazistischer Literatur kursierten, kam es nach dem "Anschluß" zur Säuberung wissenschaftlicher Bibliotheken mit Hilfe "Schwarzer Listen" (Die verbrannten Bücher 1993).

Publication details

DOI: 10.1007/978-3-319-16048-1_10

Full citation:

Stadler, F. (2015). Epilog: Exodus der Wissenschaftlicher Vernunft, in Der Wiener Kreis, Dordrecht, Springer, pp. 363-372.

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