Repository | Book | Chapter

220469

(2001) Politische Theorien der Gegenwart II, Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften.

Die Politische Theorie des Kommunitarismus

Charles Taylor

Hartmut Rosa

pp. 55-88

Nahezu zwei Jahrzehnte lang, zunächst in den USA (seit dem Erscheinen von Michael Sandeis Buch Liberalism and the Limits of Justice, 1982), dann, um eine Dekade zeitversetzt, auch in Europa, hat nun die Debatte um den Kommunitarismus die politiktheoretischen und sozialphilosophischen Auseinandersetzungen dominiert. Als einer seiner frühesten und philosophisch wie systematisch zweifellos tiefgründigsten Vertreter gilt dabei der kanadische Philosoph und Politikwissenschaftler Charles Taylor. Die Rekonstruktion seines Denkens soll deutlich machen, daß es ein — wenngleich verbreitetes — Mißverstehen des Kommunitarismus ist, in ihm das Bemühen um die Rehabilitierung und Aufwertung des Gemeinwesens auf Kosten der Individuen und der individuellen Freiheit zu sehen. Im Mittelpunkt der politikphilosophischen Bemühungen Taylors wie der Kommunitaristen insgesamt steht vielmehr die Erkundung der kulturellen ‚Freiheitsbedingungen menschlicher Subjekte" (Honneth 1993a: 261) bzw. der Voraussetzungen einer gelingenden personalen Identität (Rosa 1998a) und sodann auch der Ermöglichungsbedingungen einer gerechten Gesellschaft. Ihre Betonung der Zentralität von Gemeinschaft erfolgt daher stets um der so bestimmten Ziele willen, keinesfalls aber erheben sie Gemeinschaft zum Selbstzweck. Ein wohlverstandener Kommunitarismus, wie er von Taylor, aber etwa auch von Michael Walzer, Benjamin Barber und, mit einigen Einschränkungen, von Michael Sandel und sogar Alasdair MacIntyre vertreten wird, neigt zwar in der von Taylor (1993a: 103ff.) identifizierten methodologisch-ontologischen Dimension der Debatte zwischen Liberalen und Kommunitaristen gegenüber dem liberalen Atomismus einer holistischen Position zu. Dies darf jedoch im Hinblick auf die Dimension der Parteinahme (ebd.) keineswegs als Votum zugunsten des Vorrangs der Gemeinschaft gegenüber dem Individuum mißverstanden werden. Es ist vor allem die Konfusion dieser beiden Dimensionen, die Taylor bis heute trotz seiner unbestreitbaren Verdienste um die philosophische Fundierung dieser Strömung zögern läßt, für sich selbst das Label des Kommunitarismus zu akzeptieren.

Publication details

DOI: 10.1007/978-3-663-12320-0_3

Full citation:

Rosa, H. (2001)., Die Politische Theorie des Kommunitarismus: Charles Taylor, in A. Brodocz & G. S. Schaal (Hrsg.), Politische Theorien der Gegenwart II, Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften, pp. 55-88.

This document is unfortunately not available for download at the moment.