Repository | Book | Chapter

220554

(1999) Konzepte der Moderne, Stuttgart, Metzler.

Zum Stellenwert der ästhetisch-literarischen Moderne in den kultursoziologischen Gegenwartsanalysen von Georg Simmel und Max Weber

Klaus Lichtblau

pp. 52-68

Die bundesrepublikanische Soziologie hat im Unterschied zur angelsächsischen und frankophonen Welt von wenigen Ausnahmen abgesehen vornehmlich mit Unverständnis und Irritation auf die inzwischen auch nicht mehr so ganz neue internationale Diskussion über die ›Postmoderne‹ reagiert. Ihr eigenes akademisches Selbstverständnis ist offenbar dermaßen stark durch ein ›progressiv‹ entwicklungsgeschichtliches und universalistisches Konzept der Moderne geprägt, daß sich selbst die neueren soziologischen Ansätze zu einer Theorie der ›reflexiven Modernisierung‹ immer noch in dem historisch vorgegebenen Bezugsrahmen einer nun ihrerseits bereits ›klassisch‹ gewordenen Industriegesellschaft bewegen, deren aktuelle Auflösungserscheinungen die soziologische Phantasie anregen, nicht aber die in den geistes- und kulturwissenschaftlichen Nachbardisziplinen bereits seit vielen Jahren intensiv geführten Auseinandersetzungen über das ›Altern‹ der Moderne, den damit verbundenen Plausibilitätsschwund der ›großen Erzählungen‹ und die Suche nach neuen philosophischen, ästhetischen und literarischen Beschreibungsformen des gegenwärtigen Zeitalters.1 Konsequenterweise sind es denn auch vornehmlich sozialstrukturelle Befunde wie der Übergang von ›Gemeinschaft‹ zu ›Gesellschaft‹ im Sinne einer globalen Karriere des Modells der Marktvergesellschaftung und der Konkurrenzdemokratie, die zunehmende Ausdifferenzierung der Gesellschaft in funktionsspezifische Teilsysteme mit eigensinnigen Binnenregulativen, die fortschreitende Rationalisierung und Intellektualisierung dieser einzelnen ›Wertsphären‹ sowie die sich heute angeblich sogar noch zuspitzende Individualisierung der einzelnen Lebensentwürfe und Berufsschicksale, die im Vordergrund dieses zeitgenössischen soziologischen Modernitätsverständnisses stehen und mit Verweis auf die entsprechenden Hauptwerke der Begründer der modernen Soziologie wie Ferdinand Tönnies, Georg Sirnmel, Emile Durkheim und Max Weber auch in disziplingeschichtlicher Hinsicht als grundlegende und als solche nicht mehr weiter zu hinterfragende Erkenntnisbeiträge des eigenen Faches angesehen werden.2

Publication details

DOI: 10.1007/978-3-476-05565-1_3

Full citation:

Lichtblau, K. (1999)., Zum Stellenwert der ästhetisch-literarischen Moderne in den kultursoziologischen Gegenwartsanalysen von Georg Simmel und Max Weber, in G. Von Graevenitz (Hrsg.), Konzepte der Moderne, Stuttgart, Metzler, pp. 52-68.

This document is unfortunately not available for download at the moment.