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Dinge zwischen Raum, Sinn und Verabredung

Johannes Stahl

pp. 58-73

Es ist kaum möglich, über Erlebnisse, Vorstellungen oder Gedanken zu sprechen, ohne räumliche Bilder in seinem Kopf zu bewegen. Die Philosophiegeschichte hat sich daher eingehend mit Raumvorstellungen befasst1 — und dabei eine ihr eigentümliche schlingernde oder, charmanter ausgedrückt, kreisende Bewegung zurückgelegt.2 Es ist an dieser Stelle keineswegs beabsichtigt, den zahlreichen Erläuterungen, Ableitungen und Manifestationen eines schwer einzukreisenden Feldes ein weiteres Traktat hinzuzufügen. Eine Ausstellung mit künstlerischen Formen aus den letzten Dekaden kann jedoch der Anlass sein, sich von dieser Plattform aus einem Gegenstand anzunähern, der in seiner Komplexheit selten alle seine Aspekte auf ein Mal offenbaren wird. Der rezeptive Tanz im Raum, zwischen den Objekten und zwischen ihren Tendenzen in den Raum hinein ist der Anlass dieses Textes. Das geplante Rendezvous zwischen den Objekten existiert bislang nur als Verabredung: 'space is made by sex of things, sex of things is made in space",3 sagt der Kurator. Eine Mischung aus Raumvorstellungen und ein Ungewisses Mehr also werden sich in der Zusammenstellung der Ausstellung materialisieren. Zunächst aber nimmt jedes Kunstwerk selbst einen wahrnehmbaren Raum ein.4 Das wird im Zweifelsfall verhindern, dass die in diesem Text notwendigerweise abstrakte Betrachtung eines noch nicht existierenden Erlebnisses den Weg zurück in die je eigene Lebenswelt und Erfahrung der Betrachterinnen verstellt. Wer das Wortfeld um das Ausstellen abschreitet, wird rasch merken, dass neben der Ebene des räumlich Kompositorischen im Zusam- menstellen für einen Kunstraum vor allem soziale Zusammenhänge eine Rolle spielen. Damit kommt der eher künstlerisch, geschäftlich oder wissenschaftlich-systematisch agierende Kurator oder Kustos ins Blickfeld. Vor seiner notwendigerweise absichtsgeleiteten Sicht warnte bereits Rainer Maria Rilke: "Man erfährt manches, wenn man ihn ruft; wenn man es aber versteht, ohne ihn auszukommen, ist man mehr allein und ungestört und erfährt noch mehr."5 Der nun von hier aus unternommene Versuch zieht die Konsequenzen aus dieser Warnung und legt daher zugrunde, was Betrachterinnen dieser Ausstellung möglicherweise (denn es handelt sich hier um eine je individuell zu füllende Vorstellung) mit auf den Weg in eine solche Ausstellung bringen könnten.It is almost impossible to talk about experiences, ideas or thoughts without moving spatial images around in our minds at the same time. The history of philosophy has extensively explored notions of space1 — and, in doing so, has traced out a somewhat erratic path or, to put it more politely, a circular movement.2 Our intention here is by no means to add yet another treatise to the many explanations, derivations, and manifestations on a field difficult to circumscribe. However, an exhibition featuring artistic forms of the last few decades can provide an opportunity, a platform from which to approach a subject that, given its complexity is unlikely to reveal all of its aspects at once. So this essay is prompted by the receptive dance within space, between objects, and between their tendencies into the space itself. So far the planned rendezvous among the objects exists only as an agreement to meet: 'space is made by sex of things. sex of things is made in space",3 says the curator. So a mix of spatial concepts and an uncertain added extra will materialize as the exhibition is put together. But first every work of art itself takes up a perceptible space.4 In case of doubt this will ensure that this essay's necessarily abstract consideration of an — as yet non-extant — experience does not obstruct the viewer's path back to his or her own life-world and experience.

Publication details

DOI: 10.1007/978-3-7091-1323-3_5

Full citation:

Stahl, J. (2012)., Dinge zwischen Raum, Sinn und Verabredung, in M. Mer (Hrsg.), Space affairs / Raumaffären / Affaires d'espace, Dordrecht, Springer, pp. 58-73.

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