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Eine Bestimmung der Beziehung zwischen Philosophie und Psychiatrie muß je nach dem Standpunkt, der innerhalb der beiden Disziplinen eingenommen wird, sehr verschieden ausfallen. Das breite Spektrum möglicher Philosophien ist jedem geläufig, und auch in der Psychiatrie gibt es eine große Breite möglicher Positionen, ausgehend von phänomenologischen Standpunkten im Sinne von Jaspers und (in ganz anderer Weise) Binswanger, über psychoanalytische Betrachtungen bis hin zum Reduktionismus der modernen biologischen Psychiatrie. In Abwandlung eines Wortes von Fichte könnte man davon sprechen, daß je nachdem, was für eine Psychiatrie man wähle, dies zeige, was für ein Mensch man sei. Der wesentliche Punkt hierbei ist aber nun nicht der, daß es etwa (nur) um eine Frage des Geschmacks oder des Charakters geht, vielmehr ist die Vorentscheidung über den Standpunkt innerhalb der Psychiatrie mit einer Vorentscheidung über das eigene Weltbild verknüpft und damit, vom Wissenschaftsbegriff her gesehen, eine auch philosophische Vorentscheidung. Psychiatrie ist ebenso wie Psychologie nicht einfach eine Naturwissenschaft unter anderen, sondern zugleich philosophische Anthropologie, sie ist stets und von vorneherein philosophisch überformt. Dabei ist die Frage, welche Psychiatrie man wählt, in der Regel eine unbewußte, vorwiegend von den innerhalb der 'scientific Community" gerade herrschenden Strömungen geprägte Vorentscheidung. In diesem Sinne kann man wohl davon sprechen, daß sich zwischen bestimmten Richtungen in der Psychiatrie und solchen in der Philosophie typischerweise "Liaison"-artige Beziehungen ausbilden, die dann, wenn eine solche einen besonders hohen Erklärungswert oder praktischen Wert besitzt, für einige Zeit die Theorieentwicklung und die Praxis beherrschen können.

DOI: 10.1007/978-3-642-74133-3_4

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