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215360

(2000) Karl Mannheims Analyse der Moderne, Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften.

Soziologie als methodischer Relationismus

Karl Mannheims Auseinandersetzung mit der Relativismusproblematik als Kern seiner Wissenssoziologischen Analyse der Moderne

Martin Endreß

pp. 329-351

Die Entwicklungsgeschichte der Wissenssoziologie ist seit den Arbeiten von Karl Mannheim durch ein zunehmendes Zurückdrängen epistemologischer Fragestellungen gekennzeichnet. Waren entsprechende Überlegungen für die Gründergeneration dieser soziologischen Forschungsperspektive geradezu konstitutiv, so ist nach dem II.Weltkrieg eine fortschreitende Abkopplung wissenssoziologischer Arbeiten von Reflexionen über erkenntnistheoretische Implikationen und Ansprüche zu konstatieren. Zu den Hintergründen dieser Entwicklung gehört die fortgeschrittene Differenzierung von Fachkulturen gegeneinander, im vorliegenden Fall zwischen Philosophie und Soziologie, die mit den entsprechenden Professionalisierungsschüben das Profil eines vormals durchweg auch philosophisch interessierten und gebildeten Diskussionsmilieus innerhalb der Soziologie weitgehend zum Verschwinden brachte. Dieser Umstand wurde flankiert und intensiviert durch das zunehmende Eindringen wissenssoziologischer Frage- und Problemstellungen in einzelne soziologische Teilforschungsbereiche in Gestalt sog. Bindestrich-Soziologien. Neben dem Gewinn dieser Entwicklung, die allererst die Chancen für die Entfaltung einer breiter angelegten, gesellschaftstheoretisch zugeschnittenen wissenssoziologischen Forschungsperspektive eröffnete (vgl. bspw. den Ansatz von Berger/Luckmann), sind die Defizite einschlägig. Dem reflexiven Theorieanspruch der Wissenssoziologie kam die Erörterung der Chancen und Grenzen des eigenen Unterfangens abhanden. Erst in den vergangenen zwei Jahrzehnten sind hier in Gestalt der empirischen Wissenschaftsforschung des sog. 'strong programme" (Barry Barnes, David Bloor, Michael Mulkay) und der ideengeschichtlich ausgerichteten Cambridge-School (vgl. Rosa 1994) Neuansätze zu verzeichnen gewesen, zu denen sich im engeren disziplinären Rahmen der Soziologie die historischen Diskursanalysen Michel Foucaults und die großen "Kritiken" Pierre Bourdieus hinzugesellen. Diese Tendenzen reflektieren den Umstand einer zunehmend obsolet gewordenen Hierarchisierung unterschiedlicher Wissensarten und darüber hinaus spiegeln sie das Paradox einer Abschottung soziologischer Grundlagenanalysen gegenüber philosophischen Fragen trotz forciert proklamierter Interdisziplinarität.

Publication details

DOI: 10.1007/978-3-663-10418-6_15

Full citation:

Endreß, M. (2000)., Soziologie als methodischer Relationismus: Karl Mannheims Auseinandersetzung mit der Relativismusproblematik als Kern seiner Wissenssoziologischen Analyse der Moderne, in M. Endreß & I. Srubar (Hrsg.), Karl Mannheims Analyse der Moderne, Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften, pp. 329-351.

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