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Im Jahre 1952, ein Jahr nach seiner Rückkehr aus dem niederländischen Exil, erhielt Helmuth Plessner zu seinem 60. Geburtstag von Lieselotte Stern, seiner Sekretärin am Soziologischen Seminar, von Dietrich Goldschmidt, seinem Assistenten ebendort, und von Hermann Ulrich Asemissen, einem seiner ersten Doktoranden in Philosophie, ein großes, in blaues Leder gebundenes Buch mit leeren Seiten. Der zur Gratulation zusammengekommene Kreis hatte mit dem Präsent die Idee verbunden, daß es Helmuth Plessner in seinem neu errichteten Göttinger Haus als Gästebuch dienen könne, wo die vielen Menschen von Rang und Namen, die bei Plessner ein- und ausgehen würden, dem Gastgeber ihre Eindrücke und guten Wünsche hinterlassen könnten². Die Reaktion Plessners auf dieses Geschenk fiel allerdings gänzlich anders aus als erwartet. Auf die erste Seite schrieb er: "Diese leeren Blätter, kostbar gebunden, als handle es sich um eine Festschrift zu meinem 60. Geburtstag — und nicht — wie nach Absicht der gütigen Spender — um ein ‚Gästebuch" soll[en] nicht dem Verdacht ausgesetzt bleiben, Helmuth Plessners Einflußlosigkeit auf die Wissenschaft zu symbolisieren. Ich stelle sie daher meinen Doktoranden zur Verfügung, damit sie etwas daraus machen, was diesen Verdacht zerstreut."³; Damit gab er das Buch zurück an den ob der völlig unbeabsichtigten Wirkung des Präsents geschockten Kreis, der ganz betroffen war von diesen Worten⁴, aus denen die Verbitterung eines Remigranten darüber sprach und spricht, daß er "nach siebzehnjähriger Abwesenheit"⁵ in seiner Heimat völlig vergessen zu sein schien. Und in der Tat, in kaum einer anderen Situation erscheint wohl so sehr zum Symbol verdichtet, daß Helmuth Plessner den Abbruch seiner Karriere durch die Vertreibung aus Deutschland 1933 als Zerstörung seines philosophischen Lebenswerkes und Lebensprojektes erlebt haben muß.

DOI: 10.1007/978-3-322-99644-2_11

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