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(1992) Einführung in die Literaturtheorie, Stuttgart, Metzler.

Phänomenologie, Hermeneutik, Rezeptionstheorie

Terry Eagleton

pp. 19-58

1918 lag Europa in Ruinen, verwüstet vom schlimmsten Krieg der Geschichte. Im Kielwasser dieser Katastrophe wurde der Kontinent von einer Flut sozialer Revolutionen überspült: die Jahre um 1920 sollten den Spartakus-Aufstand in Berlin und den Generalstreik in Wien, die Gründung von Arbeiterräten in München und Budapest und zahllose Massenbesetzungen von Fabriken in ganz Italien erleben. Alle diese Erhebungen wurden gewaltsam niedergeschlagen; aber die soziale Ordnung des europäischen Kapitalismus war durch das Blutbad des Krieges und den darauf folgenden politischen Aufruhr bis in die Wurzeln erschüttert worden. Die Ideologien, auf denen diese Ordnung gewohnheitsmäßig beruht hatte, und die kulturellen Werte, von denen sie bestimmt wurde, waren ebenso zutiefst in Aufruhr geraten. Die Wissenschaft schien auf einen sterilen Positivismus, auf eine kurzsichtige Obsession mit der Kategorisierung von Fakten, zusammengeschrumpft zu sein; die Philosophie schien zwischen einem solchen Positivismus auf der einen und einem unhaltbaren Subjektivismus auf der anderen Seite zerrissen; Formen des Relativismus und des Irrationalismus wucherten, und dieser bestürzende Beziehungsverlust spiegelte sich auch in der Kunst wider.

Publication details

DOI: 10.1007/978-3-476-04109-8_2

Full citation:

Eagleton, T. (1992). Phänomenologie, Hermeneutik, Rezeptionstheorie, in Einführung in die Literaturtheorie, Stuttgart, Metzler, pp. 19-58.

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