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208818

(1995) Einführung in die Literaturwissenschaft, Stuttgart, Metzler.

Intertextualität

Lektüre — Text — Intertext

Schamma Schahadat

pp. 366-377

Wenngleich Intertextualität sich in den letzten Jahren als fester Bestandteil der literaturtheoretischen Diskussion und auch der interpretativen Praxis etabliert hat, so zeichnet sich der Begriff dennoch bis heute durch eine erstaunliche terminologische Vielfalt sowie durch konzeptuelle Offenheit aus. Als ein Grenzphänomen par excellence, das sich aus verschiedenen Quellen speist — aus der Literaturwissenschaft, aus einer Semiotik mit ideologiekritischer Ausrichtung, aus der dekonstruktiven Philosophie und der Psychoanalyse —, wird Intertextualität von Denkrichtungen unterschiedlichster Provenienz aufgegriffen, mit einer oft verwirrenden Terminologie belegt und auf verschiedene Weise funktionalisiert. Der kleinste gemeinsame Nenner, auf den die heterogenen Richtungen der Diskussion sich bringen lassen, ist der, daß Intertextualität einen Text-Text-Bezug bezeichnet. Literatur wird dabei nicht als eine kontinuierliche Linie aufeinanderfolgender Werke gedacht, sondern als ein Textuniversum, ein Netzwerk, in dem die Texte miteinander in Kontakt treten und sich aufeinander beziehen, so daß (jeder) Text als ein »Gewebe« (Barthes 1990a, 146), ein »Mosaik von Zitaten« (Kristeva 1969, 146) erscheint. Im weiteren wird der Begriff jedoch sehr unterschiedlich eingesetzt: verstehen die einen Intertextualität als politisch subversives Potential (wie die französische Gruppe Tel Quel, s.u.), so fassen die anderen sie als alte hermeneu-tische Technik unter neuem Namen (Intertextualität statt Einflußforschung) oder auch als eine dekonstruktive Lektüre-Strategie auf; zudem begünstigt die terminologische und konzeptuelle Offenheit des Begriffs Versuche, eine Intertextualität avant la lettre zu entdecken und in den Werken antiker Autoren Intertextualitätstheorien aufzuspüren (Still / Worton 1990, 2, sehen in Platos Sokratischen Dialogen, in Aristoteles' Poetik und in Quintilians Institutio oratoria »Intertextualitätstheorien der Vergangenheit«).

Publication details

DOI: 10.1007/978-3-476-03544-8_33

Full citation:

Schahadat, S. (1995)., Intertextualität: Lektüre — Text — Intertext, in M. Pechlivanos, S. Rieger, W. Struck & M. Weitz (Hrsg.), Einführung in die Literaturwissenschaft, Stuttgart, Metzler, pp. 366-377.

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