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(2010) Husserl Studies 26 (1).

Husserls Idee einer nicht-empirischen Wissenschaft von der Lebenswelt

Rochus Sowa

pp. 49-66

Dass Husserl seine Wissenschaft von der Lebenswelt als eine zweistufige Wissenschaft entworfen hat, die eine empirische Unterstufe und eine nicht-empirische (eidetische) Oberstufe hat, wird gewöhnlich in der Literatur zu Husserls Lebensweltkonzeption übersehen. Diese Wissenschaft beschäftigt sich nur auf ihrer Unterstufe direkt mit unserer faktischen Lebenswelt und zielt auf allgemeine Aussagen über ihre Strukturen und die Weisen ihrer Gegebenheit. Aber auf der zweiten Stufe, die für Husserl die primäre ist, zielt sie auf allgemeine Aussagen über eine Lebenswelt überhaupt und nicht über unsere faktische Lebenswelt, die auf dieser Stufe nur als eine mögliche unter unendlich vielen möglichen Lebenswelten zählt. Die Lebensweltwissenschaft der Oberstufe ist nämlich eine deskriptive Eidetik, d.h. eine nicht-empirische deskriptive Wissenschaft, die aus reinen deskriptiven Begriffen und reinen deskriptiven Gesetzen (deskriptiven Wesensgesetzen) aufgebaut ist, in denen weder explizit noch implizit Faktisches mitgesetzt wird. In einem Exkurs werden die Elemente, Prinzipien und die Methodik einer deskriptiven Eidetik allgemein skizziert, die dann auf die deskriptive Eidetik der Lebenswelt angewandt werden, die Husserl in der Vorlesung über Phänomenologische Psychologie von 1925 entwickelt, in welcher er seine Wissenschaft von der Lebenswelt explizit als eine zweistufige Wissenschaft mit einer nicht-empirischen (eidetischen) Stufe als der primären darstellt.Commonly overlooked in the commentaries on Husserl's conception of the lifeworld is the fact that Husserl conceived his science of the lifeworld as a two-stage science with an empirical as well as a non-empirical (eidetic) stage. At the lower stage, it deals with our factical lifeworld and aims at general propositions about the very world we live in. At the higher stage, i.e., the primary stage for Husserl, it aims at general propositions about the lifeworld as such but not about our factical lifeworld, which now serves only as one possible lifeworld among others. This higher-level science of the lifeworld is a descriptive eidetics made up of pure descriptive concepts and pure descriptive laws (descriptive eidetic laws), in which no factical entity is posited explicitly or implicitly. The present paper analyzes these relationships. In an excursus, it also traces out the elements, principles and methodology of a descriptive eidetics in general to see how they are applied to Husserl's descriptive eidetics of the lifeworld as it is subsequently developed in his lectures on Phenomenological Psychology from 1925, a text in which Husserl explicitly outlines his science of the lifeworld as a two-stage science.

Publication details

DOI: 10.1007/s10743-010-9067-5

Full citation:

Sowa, R. (2010). Husserls Idee einer nicht-empirischen Wissenschaft von der Lebenswelt. Husserl Studies 26 (1), pp. 49-66.

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