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Das Vor-Erleben

Theodor Conrad

pp. 42-55

Unter Bezugnahme auf das bisher behandelte Zurückver-setztsein wenden wir uns nun der Darstellung seines Gegen stücks, dem "Vorerleben" zu. Als Beispiel für den Gegensatz (und zugleich fur die Analogie der beiden) diene uns die Erörterung dessen, was wir erleben können, wenn wir eine langere Bahnfahrt unternehmen. Da kann man erleben, dass wir im Anfang der Reise uns fast zwangshaft in die vor der Abreise stattgehabte Ichsituation versetzt finden, von der aus wir dam als dies und jenes erlebt hatten. Wir lebten also anfangs noch in jener Situation; was offenbar ein Nacherleben war. Später aber, je näher wir dem Reiseziel kommen, finden wir uns vorversetzt in eine künftige Ichsituation, innerhalb deren wir alles, was uns dort erwartet, "vorerleben", angefangen vom Aussteigen und der Begrüssung durch die uns abholen- den Freunde, bis zum Gang in deren Haus und der sich an- schliessenden Aussprache, nebst ihren Fragen und unseren Antworten bezüglich der Schwierigkeiten unsres Reise- zwecks etc. Alles dies vermutlich sich so abspielende Erleben in der Zukunft erleben wir (noch im Zuge sitzend) "vorweg", wie wenn es sich bereits abgespielt hätte.

Publication details

DOI: 10.1007/978-94-010-3440-1_2

Full citation:

Conrad, T. (1968). Das Vor-Erleben, in Zur Wesenslehre des psychischen Lebens und Erlebens, Den Haag, Nijhoff, pp. 42-55.

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