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(1996) Allgemeine Systemtheorie, Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften.
Vorstellungen von der Gesamtheit der Erscheinungen, vom Zusammenhang der natürlichen Ereignisse, vom Leben der Menschen in der Gesellschaft und ihrer Stellung in der kosmischen Ordnung, sind sehr viel früher entstanden als ihre Systematisierung in den Begriffen der Philosophie. Die ersten Gedanken über den Ursprung des kosmologischen Geschehens in einer dunklen Vorvergangenheit sind als Mythen erzählt, sei es als flüchtige Anspielung, sei es als Botschaft einer geheiligten Grundordnung, deren Bräuche zu bewahren sind. Mythopoietische Erzählungen haben den Ursprung der Welt als gewaltsame Entzweiung eines ursprünglichen Ganzen, als symbolische Nachahmung der Schöpfung im Ritus dargestellt und den Ablauf der Ereignisse als genealogische Folge begründet. Um die »Welt« trotz ihrer Vielfalt als Ganze auszudrücken, hat man die Symbolik des Mittelpunkts oder des Urbilds entworfen und die Organisation des Chaos zum Kosmos durch Form- und Namengebung vorgestellt.1 Das »Chaos« bleibt nicht nur in den Mythen des Ursprungs, sondern auch in den Mythen der Organisation2 der Urzustand mit der zwiespältigen Bedeutung eines »formlosen Ursitzes aller Formen und Kräfte« und als solcher auch in der stets neu zu schaffenden Ordnung präsent.3 Als Ausdruck einer ungesicherten Existenz, die fortlaufender Erneuerung gegen periodisch wiederkehrende Fluten, gegen einbrechende Feinde und existentielle Bedrohungen bedarf, meint das mythische »Chaos« weniger den Zustand einer unbestimmbaren Unordnung als die zu überwindende »Kluft« zwischen den Gegensätzen der Welt.4
Publication details
DOI: 10.1007/978-3-322-95633-0_2
Full citation:
Müller, K. (1996). Historische Dimensionen des Systembegriffs, in Allgemeine Systemtheorie, Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften, pp. 18-36.
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