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Seit den Umwälzungen in den ehemals sozialistischen Staaten hat die Suche nach einem neuen verbindlichen Geschichtsmodell eine Dringlichkeit erhalten, die auch auf die von ideologischen Vorgaben unbelasteten Geisteswissenschaften zurückwirkt. Das Ende des einen Erklärungsmodells hat offenbar den Blick für andere Modelle geschärft, die selbst am Ort ihrer vor hundert Jahren umstrittenen Wirkung in Vergessenheit geraten waren. So ist in Leipzig, wo 1909 für Karl Lamprecht ein Institut für Kultur- und Universalgeschichte gegründet worden war, 1992 eine von der Volkswagenstiftung geförderte Zeitschrift mit dem programmatischen Titel Comparativ. Leipziger Beiträge zur Universalgeschichte und vergleichenden Gesellschaftsforschung hervorgetreten, die sich für eine vergleichende Kulturgeschichte im Sinne ihres spiritus loci Karl Lamprecht einsetzt. Einer der Beiträger, der Philosoph Giuseppe Cacciatore aus Neapel, betont in höflicher Verschleierung des politischen Anlasses, der seine Gastgeber in die institutionelle Offensive gedrängt hat, daß »gerade im Nachklang einer Reihe von Ereignissen, die am Ausgang des Jahrhunderts eine Epoche der Weltgeschichte beendet haben«,¹ die Forderung einer Universal- und Kulturgeschichte wieder aktuell geworden sei, weil Kulturgeschichte nicht mehr als Surrogat politischer und ökonomischer Klassenkämpfe verstanden werden muß, sondern »als möglicher Ort des Wechselverhältnisses aller gestaltenden und unterscheidenden Merkmale der Kultur der Völker, der Nationen, der sozialen Gruppen: von der Ideologie bis zur Religion, von Moral bis zum Recht, von den materiellen Interessen bis zur Politik, vom Wandel der Gebräuche bis zu den Formen der Regierung und institutionellen Ordnung«.²

DOI: 10.1007/978-3-476-05561-3_8

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