Repository | Book | Chapter

(1995) Generation und Gedächtnis, Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften.
Wahrnehmende Geschichtlichkeit, Kollektives Gedächtnis und historisches Wissen
Burkhard Liebsch
pp. 255-283
Geschichtliche Erfahrung machen wir immer dann, das ist meine freilich anfechtbare Voraussetzung, wenn Erfahrungen und Erwartungen auseinandertreten. Weder eine Erwartung, die keine mögliche Erfahrung mehr vorzeichnet (Husserl) und am Ende in einem endlosen Warten ohne Erwartetes verdorrt, wie es Blanchot beschreibt,1 noch eine ganz »erfüllte« Erfahrung, die auf nichts jenseits ihrer selbst zu Erwartendes verwiese, wäre folglich als »geschichtlich« zu verstehen. Nicht das Eintreten des Erwarteten und ungestörtes Sichfortschreiben bisheriger Erfahrung bestimmt, so gesehen, unsere Geschichtlichkeit, sondern vor allem das unerwartet Eintretende, das uns zu Revisionen unserer Erfahrung zwingt. Hier ist eine offene Dialektik im Spiel, die analog im Auseinandertreten kollektiver Erfahrungsräume und Erwartungshorizonte nachzuweisen ist, darauf Koselleck in seinen metahistorischen Reflexionen der Erkenntnis der »Zeitlichkeit von Geschichte« aufmerksam gemacht hat.2
Publication details
DOI: 10.1007/978-3-322-95972-0_11
Full citation:
Liebsch, B. (1995)., Wahrnehmende Geschichtlichkeit, Kollektives Gedächtnis und historisches Wissen, in K. Platt & M. Dabag (Hrsg.), Generation und Gedächtnis, Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften, pp. 255-283.