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221549

(1973) Soziologie, Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften.

Zur Soziologie der Patienten

Medikamentenkonsum

Klaus J. Roghmann, Robert J. Haggerty

pp. 648-670

In der Entwicklung der Medizinsoziologie wurden bisher drei Gebiete besonders betont. Erstens, die Soziologie der Krankheit bzw. die Sozial-Epidemiologie; zweitens, die Soziologie des Krankenhauses als einer besonderen Form der bürokratischen Organisation; und drittens, die Soziologie der medizinischen Berufe. Das letztere Arbeitsgebiet läßt sich weiterhin unterteilen in die Soziologie der medizinischen Ausbildung, die der medizinischen Wissenschaften und die der Professionalisierung der Gesundheitsberufe. Ein viertes Gebiet, die Soziologie der Patienten, wurde dagegen erst kürzlich entwickelt. Die Initiative kam dabei nicht von Soziologen, sondern von amerikanischen Ärzten, deren Anliegen die optimale Organisation des Gesundheitswesens war. Das amerikanische Gesundheitswesen, das in der historischen Entwicklung vor allem entsprechend den Präferenzen der freipraktizierenden Ärzteschaft strukturiert worden war, erwies sich als unfähig, die Gesundheitsprobleme weiter Bevölkerungsgruppen zu lösen. Eine umfangreiche Gesetzgebung zur Finanzierung von Krankenkosten wurde verabschiedet. Es ist inzwischen allgemein akzeptiert, daß eine Reorganisation des Gesundheitswesens erforderlich ist und dabei wesentlich stärker auf Patienteninteressen und -Verhaltensweisen Rücksicht genommen werden muß. Es ist nun relativ einfach, die ökonomischen Interessen der Patienten zu identifizieren und zu berücksichtigen, aber weite Gebiete des Patientenverhaltens sind nicht allein ökonomisch motiviert. Selbst wenn finanzielle Barrieren für eine optimale Gesundheitsbetreuung beseitigt sind, blei-ben noch immer Abweichungen vom idealen Gesundheits- und Krankheitsverhalten. Systematische Untersuchungen von Patientenverhalten sind erforderlich, um das detaillierte Wissen zu erarbeiten, das für eine bessere Berücksichtigung der sozialen und psychologischen Aspekte des Krankenverhaltens notwendig ist. Bisherige Untersuchungen zum Krankenverhalten hatten solche seltenen Ereignisse zum Gegenstand, die zu einer umfangreichen Inanspruchnahme medizinischer Dienstleistungen führen, wie z. B. Krankenhausaufenthalt und Rehabilitation. Wir möchten hier aus forschungsstrategischen Gründen vorschlagen, Medikamentenkonsum als eine Art von Gesundheits- und Krankheitsverhalten zum Untersuchungsgegenstand zu madien. Medikamentenkonsum ist eine sehr häufige Erscheinung und steht nicht oder nur indirekt unter medizinischer Kontrolle. Die Kosten für Medikamente machten in Amerika 1969 zwar nur 12 Prozent der gesamten Ausgaben für das Gesundheitswesen aus, andererseits ist Medikamenteneinnahme jedoch die häufigste Art des Gesundheitsverhaltens.

Publication details

DOI: 10.1007/978-3-322-83511-6_41

Full citation:

Roghmann, K. J. , Haggerty, R. J. (1973)., Zur Soziologie der Patienten: Medikamentenkonsum, in G. Albrecht, H. Daheim & F. Sack (Hrsg.), Soziologie, Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften, pp. 648-670.

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