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221816

(2010) Interkultur – Jugendkultur, Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften.

Offen sein für andere Erfahrungswelten

Praxisanmerkungen zum Diskurs über "interkulturelle Kompetenz"

Henrique Ricardo Otten

pp. 175-182

Der Begriff "Interkulturalität" scheint auf Schwierigkeiten des Verstehens zu verweisen. Probleme entstehen, weil wir uns nicht verstehen. Unterstellt ist dabei, dass sich Akteure aus unterschiedlichen "Kulturen" begegnen. Die inzwischen klassische Interkulturalitätsforschung, für die paradigmatisch die Untersuchungen Edward T. Halls (1959) und Geert Hofstedes (1980) stehen, setzt voraus, dass nationalkulturell geprägte Verhaltensstile als Bezugsgrößen heranzuziehen sind. Nun gilt dies sicherlich für Managerinnen oder Entwicklungshelfer, die ein Training auf die Arbeit in dem Land, in das sie entsandt werden, vorbereitet. Begegnungssituationen in der heutigen Einwanderungsgesellschaft stellen jedoch etwas grundlegend anderes dar als Kulturkontakte in einem solchen engen Sinne. Insofern ist es fragwürdig, wenn Fortbildungskonzepte zum Erwerb interkultureller Kompetenz, beispielsweise für Lehrkräfte und AusbilderInnen, sich der Konzepte differenter Kulturstandards bedienen. Die Fortzubildenden sollen sich ihre eigene kulturelle Geprägtheit im Kontrast zum Anderssein der Anderen bewusst machen, damit der Umgang mit dem "Fremden" gelingen kann. Vorzugsweise wird diese Geprägtheit in einem modernisierungstheoretisch fundierten Schema nach der Dichotomie einer westlich-individualistischen "Ich- Kultur" gegenüber einer traditionalen kollektivistischen "Wir-Kultur" geordnet. Die Erziehungs- und Wertevorstellungen von Muslimen (und um diese, gesehen als in einem traditionell-familialen Kontext lebende Menschen, geht es hier vorwiegend) sollen etwa von folgenden Faktoren bestimmt werden: erstens einem sozialkollektiven Gemeinschaftsbegriff, zweitens einem gesellschaftlichen Externalismus (man richtet sich danach, wie Verwandtschaft und Nachbarschaft das eigene Verhalten und das der Familie beurteilen), drittens einem Ehrkonzept zum Schutz der persönlichen und familialen Intimsphäre, viertens einer starken familialen Bindung und fünftens dem Glauben daran, dass alles Geschehen in Gottes Hand liegt.

Publication details

DOI: 10.1007/978-3-531-92601-8_9

Full citation:

Ricardo Otten, H. (2010)., Offen sein für andere Erfahrungswelten: Praxisanmerkungen zum Diskurs über "interkulturelle Kompetenz", in A. Hirsch & R. Kurt (Hrsg.), Interkultur – Jugendkultur, Wiesbaden, Verlag für Sozialwissenschaften, pp. 175-182.

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