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216305

(1994) Ästhetik, Stuttgart, Metzler.

Der Tod des Begehrens

Arthur Schopenhauer

Terry Eagleton

pp. 159-179

Obwohl Schopenhauer zweifelsohne einer der düstersten Philosophen aller Zeiten war, hat sein Werk etwas ungewollt Komisches. Das hängt damit zusammen, wie der Körper in ihm präsent ist. Schopenhauer studierte Physiologie und wußte von daher erstaunlich gut Bescheid über Organe wie die Lungen und die Bauchspeicheldrüse. Verblüffend ist der Gedanke, daß er durch die Wahl seines Studienfachs möglicherweise zu einer Änderung des gesamten Verlaufs der westlichen Philosophie bis hin zur heute modischen Wiederbeschäftigung mit Nietzsche beigetragen hat. Denn auf Schopenhauers grob materialistische Meditationen über Pharynx und Larynx, über Krämpfe und Konvulsionen, über Epilepsie, Wundstarrkrampf und Tollwut greift Nietzsche nicht selten zurück, wenn er seinerseits bestimmte Phänomene gnadenlos auf physiologische Ursachen reduziert. Das ganze 19. Jahrhundert hindurch bis hin zu Lawrence hat ein feierlicher Ernst in jenen archaischen Diskursen über den Menschen fortgewirkt, in denen dessen Ganglien oder Lumbaizonen in den Mittelpunkt des Interesses gerückt werden. Dieser Ernst bildet den dunklen Hintergrund für die Wiederkehr eines theoretischen Interesses am Körper, das heutzutage politisch eher positiv zu bewerten ist.

Publication details

DOI: 10.1007/978-3-476-03510-3_7

Full citation:

Eagleton, T. (1994). Der Tod des Begehrens: Arthur Schopenhauer, in Ästhetik, Stuttgart, Metzler, pp. 159-179.

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