Repository | Book | Chapter

216305

(1994) Ästhetik, Stuttgart, Metzler.

Der Marxistische Rabbi

Walter Benjamin

Terry Eagleton

pp. 326-350

Die Beziehungen zwischen Mythos, Moderne und Monopolkapital sind verwickelt und kompliziert. Der Mythos, der durch die verschiedenen Spielarten des viktorianischen Rationalismus während der Epoche des liberalen Kapitalismus unterdrückt war, verschafft sich mit Nietzsche als einem seiner prophetischen Vorläufer erneut Zugang zur europäischen Kultur zu genau jener Zeit, in der der Kapitalismus des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts allmählich übergeht in die »höheren« Formen der Kapital- oder Aktiengesellschaften. Wenn die Ökonomie des laissez-faire jetzt in systematischere Formen übergeht, dann paßt dazu die Wiedergeburt des Mythos (der seinerseits wie Lévi-Strauss uns gelehrt hat, ein hochgradig organisiertes, »rationales« System ist). Er erscheint dann als ein einfallsreiches Mittel zur Entzifferung der neuen gesellschaftlichen Verhältnisse. Solch mythologisches Denken geht einher mit einer radikalen Veränderung in der Kategorie des Subjekts. Dessen gedankliche Neubestimmung wird geleistet von Ferdinand de Saussure ebenso wie von Wyndham Lewis, von Sigmund Freud und Martin Heidegger ebenso wie von D.H. Lawrence und Virginia Woolf. Denn unter den Bedingungen des Übergangs vom Markt zum Monopolkapital kann man nicht mehr vorgeben, daß das alte, stark individualistische Ich, das sich selbst bestimmende Subjekt des klassisch liberalen Denkens, ein angemessenes Modell für die neue Selbsterfahrung der Menschen unter den geänderten gesellschaftlichen Bedingungen ist.

Publication details

DOI: 10.1007/978-3-476-03510-3_13

Full citation:

Eagleton, T. (1994). Der Marxistische Rabbi: Walter Benjamin, in Ästhetik, Stuttgart, Metzler, pp. 326-350.

This document is unfortunately not available for download at the moment.